moserêthikê

Atmungen

 
Sich im Moment gerade so durchwarten bis zur Schlüsselübergabe.






 
Immer wieder lerne ich neu, wie lange auf dem Land, mit Tieren, im Leben alle Entwicklungsschritte brauchen. Das sind die Momente, wo ich immer besonders merke, dass ich in der Stadt aufgewachsen bin, wo Wochenangaben schon lang sind. Jetzt sind Monatsangaben eigentlich die kürzeste Einheit für Veränderungen.

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Und so habe ich jetzt langsam nach über 1,5 Jahren nach Anschaffung des Ponys das Erleben einer Stallfreundschaft, die auf der Freundschaft unserer Pferde beruht und ihren ähnlichen Entwicklungschritten. Klar, ist meine älter, aber.

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Und so habe ich nach über 1,5 Jahren so langsam das Gefühl, das Pony ist wirklich meins, und sie weiß auch, dass sie zu mir gehört. Ich denke oft, dass es bei anderen sicher schneller geht, aber alles ist neu für mich. Ich wusste eigentlich nicht, was Vertrauen im pferdischen Sinne eigentlich bedeutet, bekomme jetzt nach all diesen vielen Monaten ganz langsam ein Gefühl dafür, wo der Weg hingehen könnte. Und das macht mich dann doch glücklich.

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Und mit dieser Entwicklung geht in ebenso langsamen Schritten wohl auch eine Entwicklung mit mir vonstatten. Weg vom Druck des ständigen Daseinmüssens, auch vom Gefühl, alles wissen zu müssen, alle Informationen haben zu müssen, überall dabei sein zu müssen. Weg vom Gefühl, man könne etwas Wichtiges verpassen.

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Mitten in der Lüneburger Heide, in dem Teil, der keine Schilder mehr hatte, wo keine Tagestouristen mehr unterwegs waren, man über Ewigkeiten einen Betonweg entlangstapfte, der zwischen blühendem Ginster, nicht blühender Heide und Sanddünen entlanglief, da kam ich in den Trott und das Hochgefühl des Weitwanderers, der nicht mehr nach dem Ziel fragt, Schritt für Schritt geht und sich in einer Raumzeitdimension befindet, die nicht mehr diese ist.

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Und ich dachte an das alte Haus, an das neue Heim, an Einsamkeit und Zweisamkeit und Ruhe und einen Garten, der wirklich mein Garten sein würde.






 
Wochen, in denen sich Schmerzen, Müdigkeit, Ängste, Krankenhausärger und auch Tod und Beerdigung aneinanderreihten wie alptraumhafte Perlen an einer Kette.

Und mit der Ankunft des Herbstes lassen nach einem Jahr die Schmerzen im Rücken nach, ganz langsam und so zart-allmählich, dass ich mich nicht traue daran zu rühren. Ich habe nach Monaten von Arztterminen und MRTs und Diagnosen und Schmerztabletten mit jeglicher Behandlung aufgehört und versuche nur noch, ihn nicht zu stören.

Und mit der Ankunft des Herbstes liegen ganz plötzlich auch die etwas gefürchteten Gespräche mit der Kollegin und der Teamleiterin hinter mir. Die Pläne sind nun draußen und dürfen jetzt atmen und sich entwickeln.






 
phantom

Nach dem Reiten gehe ich spätabends durch tiefen Nebel an Feldern vorbei. Statt der üblichen Dunkelheit wird das spärliche Licht der paar Lampen fein verteilt. Ich wate durch eine Traumwolke aus grauorangenen Schwaden. Baumskelette scheinen sanft hervor. Feines Tropfen um mich herum. Eine gute Stille.

In vielen Ecken meiner Seele ist gerade die Traurigkeit. Doch in dem Winternebel wird eine Stelle tief in mir auch ruhig und friedlich.

Ich reite auf einem weißen Phantom: gemein beim Satteln und Hufe auskratzen, aber freundlich und geduldig, wenn ich erst einmal drauf sitze. Alles wird allmählich besser und am Ende der Stunde beim freien Traben durch die Halle erlebe ich zum ersten Mal den Moment, wenn sich das Gefühl der Verbindung zum Pferd einstellt, wenn es für einen etwas tun will, es richtig machen will und wir einander verstehen.






 
Erinnerungen daran, im flachen Wasser des Atlantik zu stehen, die Füße im fast kühlen, fast weißen Sand zu vergraben, während man dicht, weit weg vom Horizont, die Delphine springen sieht, in der Hitze im Surren von Libellen zu stehen und zu fühlen, wie das Herz aufgeht, weil man nichts hört als urtümlich bellendes Quaken aus den Sümpfen und dabei dem Alligator ins Auge sieht, der träge durchs Wasser treibt. Das alles bringt einen durch die Kälte und durch die ewiggleiche Routine des Arbeitens: im Dunkeln hin, im Dunkeln zurück, zwischendurch über Kleinigkeiten ärgern, bis man sich schon selbst hasst. Lieber Flüge buchen. Ostern und Sommer als Fixpunkte des Geistes.






 
Auch Erinnerungen haben einen Kreislauf, und das Wetter am 18. Februar - Sonne, die nach Frühling schnuppert, das erste Vogelgezwitscher - war genauso wie exakt vor einem Jahr. Und immer noch, wohlglaubend, dass keine unsterbliche Seele existiert, frage ich mich, ob es dir jetzt wieder gut geht und ob du angenehme Gesellschaft hast und nicht einsam sein musst.






 
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Und der Text über New Orleans liegt im Steinbruch. Weil ich nie etwas zu Ende bekomme, weil alles immer überlagert wird vom täglichen Gerausche. Und dass ich mich nach Ruhe und letztlich Internetlosigkeit sehne. Nach dem Rattern einer Schreibmaschine, danach, dass mir die Hand beim Schreiben mit dem Stift nicht sofort verkrampft. Vor allem nach Zeit. Darauf, auf Null zu stellen. Einen Monat lang einfach nur zu lesen. Nichts zu produzieren, zu rezensieren. Nur kleine Bleistiftnotizen und Ausrufezeichen an die Ränder zu quetschen.






 
5 Kilometer von den Niederlanden und Belgien entfernt. Aus der Zeit gefallen. In eine Höhle verkrochen.






 
Tod, Liebe und Freundschaft.







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