moserêthikê
 


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Die Badewanne ist das Zentrum meiner Wohnung, in diesen Tagen. Erkältungsbad, Alles-wird-gut-Bad, Alles-ist-gut-Bad. Erkenntnisse weichen Erleichterungen. Niemals wieder werde ich 8,5 h lang in dem kleinen Zimmerchen mit dem großen Bildschirm sitzen müssen. Das Zimmer, in dem Pflanzen sterben und ich krank wurde an Körper und Seele. Aber auch: welche Nähe ein gemeinsamer Feind schafft.

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Noch einmal dort hin, sich verabschieden, mit zusammengebissenen Zähnen lächeln. Später wird ein Brief folgen. Versprochen.

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Noch fünf Tage. Dann beginnt das Neue.

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Ich erhielt eine traurige Todesnachricht. Ich hielt ein sechs Wochen altes Menschlein.






 
Nach allem Warten, Hadern, Zaudern, Zweifeln kam sie ganz leicht, die Erneuerung. Und das nehme ich als gutes Omen.






[Da kam er angeflogen, zugeworfen von der lieben Frau Casino: mein erster Blogfragebogen.

1. Warum bloggst du? Könntest du deine Zeit nicht sinnvoller nutzen?
Ich könnte sie vor allen Dingen sinnvoller nutzen, wenn ich häufiger bloggte. Die Idee hinter all dem war und ist (meistens) bei mir, Momente festzuhalten, die nicht verloren gehen sollen, aber meist verloren gehen, wenn man sie nicht sofort aufschreibt. Es gibt ja immer wieder diese Sekunden, bei denen man denkt: Das werde ich niemals im Leben vergessen. Doch meist vergisst man es. Dass ich solche Momente nicht einfach in einem geheimen Tagebuch festhalte, hat wiederum den Grund, dass ich das Tagebuchschreiben nie länger durchhalte: Immer wenn ich für mich allein Tagebuch schrieb, kam ich mir komisch vor; ich fand nie eine Form, in der mich mein Schreiben dann nicht selbst langweilte. Ein Blog verursacht einen gewissen Druck, so schwach er auch sein mag. Und er zwingt dazu, sich eine Form zu suchen. Die Kehrseite ist eine gewisse Unschärfe: keine Namen, Verfremdung. Auch weil es mir um das Allgemeine im Besonderen geht. Denn das ist das, was stehenbleiben soll. Im Idealfall.

1b. Wieviel Zeit geht täglich drauf fürs Bloggen? Und wann schreibst Du?
Ich schreibe nicht täglich. Wenn ich schreibe, gibt es keinen festen Zeitpunkt. Es muss die richtige Stimmung da sein: nüchtern oder trunken, froh oder traurig. Aus der Stimmung entsteht das Textstück. Wenn ich etwas schreibe, brauche ich nur wenig Zeit. Wenige Minuten, da die Texte selten lang sind.

2. Welcher Artikel aus anderen Blogs ist dir spontan im Kopf geblieben? (nicht zu lange nachdenken)
Mir bleiben viele Artikel jeweils für eine Weile im Kopf, bis wieder neue kommen, die hängenbleiben und die die anderen überlagern – und alle sind wichtig. Die stattkatze berührt mich mit vielem intensiv. Zum Beispiel hiermit. Geschichten wie diese von der nuss liebe ich. Rosines Welt macht mir zuverlässig gute Laune. Und viel im Kopf ist außerdem dieses Blog insgesamt, aus vielen Gründen.

3. Dein absoluter Lieblings-Artikel in deinem Blog? (bitte mit Linkangabe)
Es gibt keinen Lieblingseintrag, es sind zu viele und zu kurze. Wenn ich durchblättere, ist es mir manchmal peinlich, manchmal staune ich, was mir eingefallen ist (hier), manchmal freue ich mich über eine Formulierung, meist freue ich mich - wenn ich mich freue – über die Erinnerung, die damit verbunden ist. Wie über dies und das oder jenes.

4. Welches Blog empfiehlst Du?
Alle auf meiner Blogroll sowieso. Aber natürlich lese ich auch andere sehr gern, die (noch) nicht dort stehen, darunter Seite 2, Dieseldunst und Herrn Mek.

5. Welches Thema liegt Dir am meisten am Herzen?
Wie ich unter 1) schrieb, alle Momente, die in mir etwas berühren und bewegen. Diese Momente entstehen meist im Kontakt zwischen den Menschen, aber oft auch im Alleinsein. Mich faszinieren alle dunklen Seiten hinter dem Hellen, die Brüche, die Traurigkeit in mir. Manches, was mir eigentlich am Herzen liegt, klammere ich hier aus und schreibe nicht darüber, weil es zu dunkel ist, ich keine Worte finde oder ich meine Form nicht beibehalten könnte. Das sollte ich vielleicht ändern.

6. Freundschaft. Hast du mehr Freunde im Internet, oder da draußen?
Es gibt sehr unterschiedliche Formen von Freundschaft, nicht sortierbar nach Internet und nicht-Internet, sondern abhängig von den Einzelpersonen. Manche entstanden ohne das Internet und bestehen jetzt auch hier, bei manchen ist es umgekehrt, bei anderen ist es nur das eine oder das andere. Alle sind so individuell, dass ich nicht quantifizieren kann.

7. Ganz ehrlich und unter uns: wie oft checkst du die Statistik deines Blogs? (falls du eine hast)
Na, andauernd. Und wenn aus den wenigen Zugriffen plötzlich ganz viele werden (wie in den letzten Tagen), bekomme ich erst einen Schreck und freue mich dann.

8. Kennt Deine Familie (falls Du sowas hast) Dein Blog? Und wie finden die deine Bloggerei?
Meine Familie kennt es bisher nicht. Fragten sie mich, würde ich es nicht verheimlichen, aber natürlich fragen sie nicht.

9. Verhältst du dich manchmal noch wie ein Kind? Wenn ja, in welcher Situation?
Sehr oft: In der Begeisterung zu etwas ebenso wie im Beleidigttun, wenn ich etwas nicht bekomme, worauf ich mich gefreut hatte (Rummosern nennt man das!). Erwachsensein liegt mir nicht.

10. Was würdest du anders machen, wenn du mit den Erfahrungen von heute noch einmal neu im Alter von 14 Jahren beginnen dürftest?
Bei so einer Frage werde ich sofort philosophisch und denke automatisch an Argumentationsfiguren wie die petitio principii oder an die Katze, die sich in den Schwanz beißt. Und natürlich gibt es vieles, was ich mit mehr Wissen oder mehr Lebenserfahrung, vor allem mit der im Laufe der Jahre wachsenden Charakterfestigkeit (relativ gesehen), anders gemacht hätte, aber genau darum ist der Gedanke, was wäre wenn, ziemlich sinnlos. Ich kann nur hoffen, dass meine Entscheidungen und mein Handeln mit den Jahren besser und klüger werden.]






 
Das Jahr bricht weg, in großen Stücken. Und das ist gut; es soll endlich vorbei sein.

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Ich wusste gar nicht genau, ob ich in München oder Hamburg war. Der Zug fuhr nach München, aber es fühlte sich wie Hamburg an. Und Dunkelheit ist überall.

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Nach vier Jahren saß ich ihm das erste mal wieder gegenüber im Büro. Sprechstunde. Es ist alles viel schicker jetzt. Schwarze Möbel. Große, türkise Kunst an der Wand. Als ich das Bild auf seinem Schreibtisch entdeckte, dasselbe, was auch ich habe, ein Bild von früher, da wäre ich am liebsten aufgestanden und hätte es berührt.

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Wir waren alle älter geworden. Die Wissenschaft macht graue Haare.

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Wehmut: Eine berufliche Familie gehabt haben, die man verlassen hat. Sie planen Weihnachtsfeiern, ich sitze allein, Tag für Tag.
Und doch wissen, auch in der Wehmut: Das wäre nichts geworden, all das Gerede, die Intrigen, die Politik, und nebenbei noch wahrhaftig bleiben.

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Das ist es, was ich am liebsten sagen würde, in all den Gesprächen: Ich bin auf der Suche nach Heimat.






 
Das chinesische Mädchen, das ich am Flughafen adoptierte. Sie reiste durch die ganze USA, um eine Universität zu finden, an der sie studieren könnte. Der Termin in Boston hatte sich kurzfristig ergeben. Sie war sehr aufgeregt und sagte immer wieder laut: Wenn ich es San Francisco geschafft habe, den Weg zu finden, dann wohl hier auch. Ich hatte viele Fragen an sie und fragte nichts. Sah dem Vögelchen nur zu. Hier habe auch eine ihrer Schwestern studiert. Sie fragte andauernd sehr laut alle möglichen Menschen nach dem Weg. Wie schnell mir das zu viel wurde. Ich wollte allein herausfinden, mich in die Stadt hineinfinden, ohne mein Fremdsein zu offenbaren. Ich kannte den Weg auch schon. Der U-Bahn-Plan war fest in meinem Kopf. Ich war erleichtert, als wir uns wieder trennten. Erst dann kam ich an.

Ich redete mit vielen Menschen. Und viele von ihnen waren im letzten oder vorletzten Jahr in Berlin gewesen. Wo sind die alle? Und wieso fahren sie hierher? Und sie guckten ganz liebevoll beim Gedanken an Berlin. Ich identifizierte viele Orte anhand vager Beschreibungen. Das Grill Royal, in dem ich selbst noch nie war. Ich saß an vielen Restaurant-Bars, wurde von freundlichen und hübschen Kellnern hofiert und lauschte den Gesprächen nebenan. Gibt es das hier auch, dass man sich bei Dates anpreist wie bei einer Bewerbung und sich und alle seine Macken erklärt und erklärt und erklärt? Beim ersten Treffen? Ich hörte viele solcher Anstrengungen, während ich Abend für Abend so gut aß, dass ich es selbst kaum fassen konnte. Boston war wie ein Traum. Da war er also, mein persönlicher amerikanischer Traum. Und ich verstand für einen Moment im Fenway Park diesen fürchterlichen Patriotismus, der von hier aus gesehen so fremd ist. Überhaupt sieht man von hier aus ja alles Schlechte. Ist das Deutsch oder Europäisch? Vielleicht ist es ja besser. Aber anstrengender ist es dafür auch.

Jeder einzelne Buckelwal ist identifizierbar. Die meisten von ihnen haben Namen. Meine drei Wale sind daher nicht irgendwelche Wale, sondern sie heißen Kakophony und Valley und dazu ihr Kalb, was erst noch einen Namen erhalten muss. Der Gedanke an die Namen macht mich sehr glücklich. Sie schwimmen zwischen Neufundland und der Karibik. Einen Wal da draußen zu berühren, Kontakt herzustellen, mit so einem Wesen zu kommunizieren, das wäre ein gewaltiges Glück.

Nördlich von Provincetown verlief ich mich fast in den Dünen. Es war ein existenzieller Moment. Es gab keinen Handyempfang, es gab nur Sonne, Gleißen, Sand, trockene Nadelbäume. Ich sah weder das Meer noch eine Straße noch Menschen. Nur Spuren im Sand, die keine Richtung hatten. Ich kam aus dem kleinen Europa, wo eine Düne zum Meer hinführt. Für ein paar Minuten überwältigte mich diese Panik. Ich ging im Kopf durch, was ich hatte: einen halben Liter Wasser, ein paar Kekse. Ich versuchte zurückzugehen, wie ich hergekommen war, doch es war wie im dichten Wald. Und Panik verdrängt den Orientierungssinn. Existenziell war auch, die Panik wieder fortzuschicken. Und hinterher, wenn einen Radfahrer überholen und der Bus nur eine Viertelstunde bis in die Stadt benötigt, fühlt man sich dumm und wie ein Nackter unter Bekleideten. Doch ich vermute, ich hatte etwas Wichtiges über dieses Land verstanden.

Ich bekam einen Sonnenstich und liebte Boston noch mehr als vorher.

Ich stand zum ersten Mal in meinem Leben vor einem Bild von Edward Hopper. Und es war wie in Paris vor vielen Jahren, als ich zum ersten Mal einen van Gogh sah. Der innerliche Zwang, das Bild mit den Fingerspitzen berühren zu wollen, ist fast stärker als man selbst. Aber am Ende beugt man sich doch den Regeln des Museums. Traurig ist das. Anders als van Gogh zeigt Edward Hopper in seinen Bildern meine Gefühle und deshalb musste ich fast weinen, als ich davor stand. Und ich lachte in die Stille des Raumes hinein, der vollgestopft war mit berühmten Namen, als ich die Geschichte von Andy Warhols Urin-Gemälde las, das da einfach so hing im besten Saal des Museums.






 
"Liebe ist: den leuchtenden Punkt der Seele des anderen zu erkennen und anzunehmen und in die Arme zu schließen, vielleicht gar über sich selbst hinaus.

Hass, vielleicht ist er etwas Ähnliches. Vielleicht hat jemand, der mich hasst, den leuchtenden Punkt meiner Seele gesehen und durch und durch erkannt, jedoch ganz ohne ihn anzunehmen und in die Arme zu schließen."

[Th. Glavinic, Das größere Wunder, S. 244/45]






 







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