moserêthikê
 
Komm und spiel mit mir
das Spiel von der Liebe,
wie es mit uns mal werden soll.

(Manfred Krug)

H

27. Juni 2017, Rathaus Schöneberg






 
"4321" als ungekürztes Hörbuch im Original, gelesen von Paul Auster. 866 Seiten, 37 Stunden. Austers Stimme ist Balsam: dunkel, rauh, ruhig, konzentriert, ernst, fast feierlich. Und während ich in der Hässlichkeit Berlins zwischen unhöflichen Menschen früh aus der Tram trete, wird Archibald Ferguson geboren.






Kater

Nur zwei Monate nach der Katze wird auch der Kater sterbenskrank. Er frisst nicht, er bekommt kaum Luft. Ein Röntgenbild zeigt keine Lunge mehr, sondern nur noch einen grauen Schatten von Wasser. Schwankend und schwach lässt sich das große kleine Tier in seinen letzten Stunden noch ein letztes Mal in die Badewanne plumpsen, damit man ihm zum Spielen das Wasser aufdreht. Er miaut herzerweichend wie ein Baby und schläft beim Kraulen auf der Couch fast schon ganz ein. Den toten Körper beim Arzt zurückzulassen, ist ein seelischer Kraftakt.

Ich komme heim in eine leere Wohnung, in der Katzenfutter, Katzentoilette, Katzenpappkartons ihren Sinn verloren haben. Ebenso wie der Großteil meiner Alltagsroutinen. Die Wohnung ist auf einmal nur noch ein Ort.






 
So viele Texte, Ideen, Impulse auf Halde. Die Realität der Schmerzen und Krankheiten fordert ihren Tribut an Aufmerksamkeit.






 
Stages of life.






 
phantom

Nach dem Reiten gehe ich spätabends durch tiefen Nebel an Feldern vorbei. Statt der üblichen Dunkelheit wird das spärliche Licht der paar Lampen fein verteilt. Ich wate durch eine Traumwolke aus grauorangenen Schwaden. Baumskelette scheinen sanft hervor. Feines Tropfen um mich herum. Eine gute Stille.

In vielen Ecken meiner Seele ist gerade die Traurigkeit. Doch in dem Winternebel wird eine Stelle tief in mir auch ruhig und friedlich.

Ich reite auf einem weißen Phantom: gemein beim Satteln und Hufe auskratzen, aber freundlich und geduldig, wenn ich erst einmal drauf sitze. Alles wird allmählich besser und am Ende der Stunde beim freien Traben durch die Halle erlebe ich zum ersten Mal den Moment, wenn sich das Gefühl der Verbindung zum Pferd einstellt, wenn es für einen etwas tun will, es richtig machen will und wir einander verstehen.






 
metis

Ich wollte eine Hommage an die kleine Katze schreiben, die seit Montag nur noch ein Geist in meiner Wohnung ist, aber es gelingt mir nicht. Zu nah. Mein Verstand setzt jedesmal ein bisschen aus, wenn ich darüber nachdenke. Und ersetzt alle Wörter durch Bilder von ihr. Ich sehe sie auf jedem Möbelstück. Sehe, wie sie sich in der Sonne räkelt. Sehe aber auch den Schatten, der sie zum Schluss war. In der Wohnung sind noch ihre Haare verteilt und ich schaffe es nicht, den Staubsauger anzuwerfen.

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So nimmt 2016 auch noch mir die Katze und meiner Cousine den Mann.

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Die eigentliche Trauer bzw. der Versuch, um dieses Loch herumzuleben, das muss jeder ganz allein für sich machen.






 
Auf meinem Heimweg mit dem Rad fängt der Fremde an, mich zu verfolgen. Er belästigt mich bis gerade so an die Grenze zum körperlichen Übergriff: Er fährt von hinten auf, er stößt mit seinem Rad an meines, er setzt sich vor mich und bremst mich aus, er klingelt mich von hinten an, unaufhörlich, er murmelt irgendwelche Dinge vor sich her, er fährt dicht neben mir, er greift in meinen Lenker. Ich wehre mich mit Worten, er sagt nur: Aber ich find dich doch toll. Er sagt nur: Aber ich wollt doch nur die Uhrzeit wissen. Ich wehre mich gegen den Drang, ihn wie früher unter uns Kindern einfach zu schubsen. Denn er strahlt wirkliche Gefahr aus. Ich durchlebe in den 30 Minuten alle Stadien des Unmuts bis hin zur Panik. Bei all dem das ganz klare Wissen - er macht das mit mir, weil ich eine Frau bin. Und die Bestätigung dieses Wissens kommt prompt, als ich schlussendlich einen anderen Mann bitte, neben ihm fahren zu dürfen ob der Belästigung. Der Fremde starrt mich noch drei Minuten verwirrt bösartig an. Dann ist der Spuk vorbei. Die Ebenen meiner Müdigkeit danach sind kaum zu zählen.

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Freitag, der 13., war der Tag, an dem ich meinen geliebten türkisen Seidenschal verlor. Doch tags darauf sitze ich glücklich vor neuen Lautsprechern und die Woche ist vergessen.

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Wir saßen am Pfingstsonntag in dem kleinen plüschigen Café vor Kaffee und Kuchen. Jeder las in einer Zeitschrift und in mir waren keine Gedanken, keine Sorgen, sondern nur das reine Dasein.







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