moserêthikê
 
Jetzt erst die Texte gefunden. Viel zu spät. Und im Nachhinein noch Angst.






Wenn sich Grundlegendes im Leben ändert und plötzlich Ängste überflüssig werden und Ziele durch ganz andere ersetzt oder auch erst getestet werden müssen, ist man mit einem Mal wieder auf hoher See, fürchtet sich vorm Klabautermann und versucht, mit geringer Kenntnis nach den Sternen zu navigieren. Und es braucht eine Weile, bis man das Meer wieder versteht und klar ist, dass es den Klabautermann nicht gibt. Man befindet sich in einer Zwischenwelt, fern von allem. Und das ist schön und beängstigend zugleich.






 
Eine starke Erinnerung an mein Kindsein ist das Glücksgefühl bei der Heimkehr nach langen Reisen. Wie verlassen die Wohnung dalag und gleichzeitig hoffnungsvoll, als habe sie uns zurückersehnt, wurde dann aber doch in ihrem Tun, das aus nichts anderem bestand, als in Ruhe und Frieden dazuliegen, unerwartet gestört. Ich ging immer zuerst in alle Räume, die unfassbar ordentlich wirkten und zugleich staubig, ein Zustand, der sich auch in ihrem ureigenen Duft zeigte. Und wie froh ich damals war, mein Bett wiederzusehen und meinen Schreibtisch. Meinen Raum wiederzuhaben und die Tür, die ich zumachen konnte. Und jedesmal war ich überzeugt, dass keine Reise jemals so schön sein könnte wie dieser Moment der Rückkehr.






 
Und der Text über New Orleans liegt im Steinbruch. Weil ich nie etwas zu Ende bekomme, weil alles immer überlagert wird vom täglichen Gerausche. Und dass ich mich nach Ruhe und letztlich Internetlosigkeit sehne. Nach dem Rattern einer Schreibmaschine, danach, dass mir die Hand beim Schreiben mit dem Stift nicht sofort verkrampft. Vor allem nach Zeit. Darauf, auf Null zu stellen. Einen Monat lang einfach nur zu lesen. Nichts zu produzieren, zu rezensieren. Nur kleine Bleistiftnotizen und Ausrufezeichen an die Ränder zu quetschen.






 
Gipfeltreffen mit Zaubertricks, vielen Nachschlägen, Fanta und dem richtigen Eis. Mir wurde Güte, Offenheit und Lachen geschenkt. Ein dreizehnjähriges Mädchen ist ein Wunder.






 
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Rites de séparation.

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Wie das Flugzeug sich Miami näherte, durch den Sonnenuntergang in die Dunkelheit hinein. Und ich mich losgelöst von allem fühlte, gekappt, schwerelos durch die Müdigkeit und die Ereignisse auf der anderen Seite. Und wie das Flugzeug stillzustehen schien: unter mir nur ein dunkles, und dennoch aus sich selbst heraus zu glimmen scheinendes Meer. Unter, über, neben mir kleine fluffige Wolkenberge. Es fühlte sich an wie Tauchen. Wir flogen einen weiten Kreis um Miami, umflogen die Gewitter. Blitze zogen durch die Wolken, aber es war nur ein Konzert. Keine Angst mehr, ich war unverwundbar, ich war Alice auf dem Weg ins Wunderland. Die Landebahn war gespickt mit unzähligen Juwelen in Blau, Grün, Orange, Rot.

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Rites de marges.

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Ich bekam das erste Taxi, obwohl ich später an der Reihe war: Richtung South Beach. Ich müsse in einer halben Stunde im Hotel sein, sonst ist die Rezeption nicht mehr besetzt. Schaffst du das? Er grinste: Will you hook me? Ich verstand nicht, er lachte, will you give me a good tip? Natürlich, ich bin die Königin des Trinkgelds. We will be there in twenty minutes. Er fuhr wie der Teufel. Ich war in Miami. Er sei der beste Fahrer der Stadt, ob ich ihm glaube. Of course. I trust you. Schon war er verliebt. Und vor meinem Fenster rauschten Palmen in der Dunkelheit vorbei, wir fuhren über Brücken, Lichter, das Taxi sprang förmlich von links nach rechts, von rechts nach links, ich musste lachen und hatte nur Augen für die Palmen. Als ich ausstieg, beschlug meine Brille. Er winkte mir noch nach, bis ich im Hotel verschwand.

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Rites d'agrégation.

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South Beach war Laziness. Ein Ort für die Verirrten. Es war einem stets etwas schwindelig, auf eine angenehme Art. Am Abend, bevor ich weiter nach Westen fuhr, badete ich im Atlantik. Ich stand mit meinen von den Flip Flops aufgescheuerten Füßen im harten Salzwasser, genoss das Brennen, das warme, grünblaue Wasser; über den Häusern am Ocean Drive ballten sich die Wolken. Am Horizont überm Meer ballten sich die Wolken. Die Luft war träge, eine ewige Ruhe vor dem Sturm. Ich bemerkte eine Bewegung im Augenwinkel und drehte mich hin zum offenen Meer. Da glitt ein Pelikan auf der Höhe meines Kopfes an mir vorbei, fünf Meter entfernt. Wir sahen uns in die Augen, kurz schien er neben mir in der Luft stillzustehen, dann flog er lautlos weiter. Ich war da.

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Während ich in tropischer Hitze eine neue Welt erlebte, wendete es sich auf dieser Seite des Atlantiks zum Guten.






 
5 Kilometer von den Niederlanden und Belgien entfernt. Aus der Zeit gefallen. In eine Höhle verkrochen.







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